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Es war einmal ein Islandpferd, welches in der kommerziellen Welt seinen Weg verloren hatte.

„Jedes Pferd ist es wert, einen individuellen Weg zu gehen.“

Die Geschichte von „Blanda“.

 
Blanda ist für eine Isländerstute ein ziemlich „großes Mädchen“. Sie ist sanftmütig und folgsam, mag es, wenn man sie putzt und striegelt und leise mit ihr spricht. Sie möchte verstehen, was ihr Mensch von ihr verlangt, doch auf keinen Fall möchte sie die Anführerin sein. Sie ist eine Tänzerin für den Tanz zu zweit, ganz altmodisch möchte sie geführt werden, Damenwahl ist nicht ihre Sache. Aber wenn ihr Partner sie zu führen weiß, wird sie zur Walzerkönigin.
Wie so viele „Kinder“, die größer sind als ihre gleichaltrigen „Mitschüler“ wurde auch Blanda bei der Ausbildung zu viel zugemutet. Groß sein heißt eben nicht immer, dass ein Lebewesen auch in der Entwicklung weiter ist. In einem „großen Mädchen“ oder „großen Jungen“ steckt selten ein Überflieger. Nur weil man die anderen überragt, ist man nicht vernünftiger, besonnener und schon gar nicht erfahrener. Leider übersehen wir diese Tatsache oft.
Blanda wusste häufig nicht, was die Menschen von ihr wollten. Gerten machten ihr Angst, großen Druck ließ sie einige Zeit über sich ergehen, um dann plötzlich ihr Heil in der Flucht zu suchen. Kurz, Menschen flößten Blanda kein Vertrauen ein. Warum also sollte sie sich auf der Koppel einfangen lassen, warum sollte sie an den Zaun drängen wie die anderen Stuten, wenn das, was danach kam, sie regelmäßig in große Verwirrung stürzte?
Die sanfte Blanda wurde eine in sich gekehrte Einzelgängerin. Am liebsten stand sie allein und abgesondert auf der Koppel und fraß. Nur geduldige, sehr erfahrene Reiter spürten, wenn es ihr unheimlich wurde, andere Reiter fanden sich im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Boden der Tatsachen wieder. Das Pferd war nicht froh und wir somit auch nicht.
Wir beschlossen, der Verkannten erst einmal Ruhe zu gönnen und holten sie mit unseren anderen beiden Stuten nach Hause.
Nach einem Jahr innerer Einkehr, viel Ruhe und Bodenarbeit für die Beweglichkeit hatten wir ein Pferd, das uns bedingungslos überallhin gefolgt wäre.
Wir kennen aber unsere Grenzen. Als Späteinsteiger wollten wir Blanda nicht durch unsere wenig erprobten Reitkünste verwirren. Wir wollten aber auch nicht, dass aus einer vielversprechenden Isländer-Stute mit hervorragender Abstammung ein Beistellpferd wird. Wir begannen nach einer jungen Frau, einem jungen Mädchen zu suchen, das eine erfahrene Reiterin war und ein echtes Herzenspferd suchte.
Über eine Annonce im Internet fand sich eine solche junge Frau tatsächlich. Zwar hatte sie ihr Herzenspferd mittlerweile gefunden, doch es stellte sich heraus, dass Ellen eine erfahrene, aber nicht festgefahrene, selbstkritische Trainerin war. Sie versprach kurzerhand vorbeizukommen und sich Blanda anzusehen.
Ellen kam, sah und siegte. Nach wenigen Minuten schon folgte die zurückhaltende Blanda der „fremden Frau“ im Roundpen. Unser blondes Mauerblümchen wurde endlich zum Tanz aufgefordert. Nie zuvor hatte ich sie mit einem unbekannten Menschen so entspannt gesehen.
Warum also noch zögern? Wir beschlossen, Blanda ins „Internat“ zu schicken und sie in Ellen Keßlers fähige Hände zu geben.
An einem sonnigen Sonntag im Mai stieg Blanda in den Anhänger, um sich schon mittags von Ellen die neue Koppel zeigen zu lassen. Völlig entspannt verlief das alles und wir konnten mit gutem Gefühl den Heimweg antreten. Im Gegensatz zu anderen Ausbildern gab es hier keine starren Ausbildungspläne; Ellen macht auch keine Versprechungen oder prahlt mit Verkaufserfolgen. Ellen macht einfach.
Natürlich fehlt Blanda uns, doch wir wissen, dass es ihr gut geht, denn Ellen hält uns über jeden ihrer Schritte auf dem Laufenden. Zwischen Heidschnucken und erfahrenen Kutschpferden darf Blanda mit Jungpferden herumtollen und die neue Umgebung erkunden. Schon bald beginnen die ersten „Unterrichtsstunden“, und wir sind gespannt, wie Blanda sich entwickelt.

„Ich bin auch gespannt ob ich einen Weg finde, Blanda zu erreichen. Sie wirklich zu gewinnen für die Aufgaben eines Reitpferdes. Jeden Tag auf’s Neue, gilt es, denn Punkt zu finden, an dem es sich gut anfühlt. Der Spur zu folgen, auf der es leicht geht. 
Ich glaube an alle Blanda’s auf dieser Welt. Jedes Pferd ist es Wert, einen individuellen Weg zu gehen.“
Eure Ellen

Das war im Frühjar 2015. Mit Ruhe, Geduld und Gefühl, konnte ich Blanda für die Arbeit mit dem Menschen wieder begeistern. Inzwischen hat sie ihren Herzensmenschen gefunden und macht einer ganzen Familie viel Freude.
Für mich ist und bleibt Blanda ein ganz besonderes Pferd, von dem ich viel lernen konnte.
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